Merck merkt auf

Die Gitarristin Mareille Merck steht beispielhaft dafür, wie sich die Welt und mit ihr auch der Jazz in den letzten 30 Jahren verändert haben. 1996 im norddeutschen Stralsund geboren, Preisträgerin im Bundeswettbewerb Jugend musiziert 2014, Studien in Luzern und Zürich bei Kalle Kalima, Wolfgang Muthspiel und Roberto Bossard, Masterabschluss 2020  im Bereich Performance, gründet sie schon 2018 das Trio Larus mit Janic Haller (dr) und Florian Boller (b). Inzwischen hat sie sich im Zürcher Jazz-Umfeld als aktives Mitglied etabliert.

Mit Larus erkunden die Musiker abenteuerlustig und mutig wie auch risikofreudig Soundlandschaften jenseits ausgetretener Pfade. Anmut gepaart mit melancholischem Sentiment, fließen Mercks melodische Idee gleichsam auf geheimnisvollen Pfaden. Mit punktuell eingesetzten Pickup-Switchs ihrer Stratocaster durchschweben Flageoletts den Sound. Sie generieren mit ihrer ausgefeilten Fingerstyle-Technik eingängige Themen, die mitunter in meditative Traumtiefen eintauchen.

Bei den Langnau Jazz Nights 2023 ist sie mit Larus (Francesco Losavio ersetzt Boller am Bass) der Festival-Opener. Gespielt werden Eigenkompositionen von Merck, die zum Auftakt mit Kap Arkona eine geografisch-biografische Referenz artikulieren. Ein lyrisches Stück, eine Hommage mit geheimnisvollen Soundrauschen. Eine Replik, die norddeutsche Zurückhaltung melodisch ausleuchtet, sie aber gleichzeitig mit einem schweizerischen Understatement, fest auf dem Boden einer Überzeugung zu wurzeln, verbindet.

Larus, die Silbermöwe, segelt in Langnau durch Stücke ihrer CDs Fadenschlag (Mons Records) und Stille Wasser (iMusician), als flögen Merck, Haller und Losavio über Land und See, über Berg und Tal in vom Wind aufgemischte Gefilde. Seit den Anfangsjahren der Gruppengründung mit Haller vertraut, ist Losavio offensichtlich (auch hörbar) noch im Stand-by-Modus, sich in die komplexen harmonischen und rhythmischen Strukturen hineinzufinden. Konzentriert auf das Notenblatt, findet sein Blick nur selten Zeit und Raum im Kontakt mit Merck und Haller. Nichtsdestoweniger beeindruckt vielleicht gerade deshalb die vitale Dynamik des Zusammenspiels, die atmosphärisch einen dichten Klangraum in der Kupferschmiede Langnau schafft (Larus, Langnau 2023).

Fadenschlag, der Song, der diesem Album seinen Namen gibt, legt eine melodisch romantische, musikalisch intuitiv inszenierte Spur, die, wie im Solarplexus zu hören ist, auch dramatisch pulsieren kann. Raus aus der Komfortzone und rein ins kalte Wasser, um die Musik lebendiger zu gestalten, so Mercks Credo, rauscht in Stille Wasser ein tiefengesättigter Sound unter einer scheinbar still bewegten Oberfläche.

Hit The Mark, jazz-rockige Intensität, die mit energetisch verzerrten Soli Haller als einen enigmatischen Drummer zeigt. Überhaupt, Haller und Merck spielen in offensiver Dialogbereitschaft. Mercks Tongebung kontrastiert und reflektiert Haller mit Holz- wie auch Strohklöppeln sowie mit schleifenden Drahtbesen zu enigmatischen Soundkaskaden.

Dass neben den professionellen Bühnen-Acts in der Kupferschmiede sich auf dem Viehmarktplatz ambitionierte Amateur-Musiker nach Workshops präsentieren (Workshopbands), gibt den Langnau Jazz Nights 2023 einen bodenständig lebendigen Ausdruck. Für Tage eine jazzige Festgemeinschaft, die man auf anderen internationalen Jazz-Festivals weniger erleben kann.

Das dem so ist, dafür steht Walter Schmocker (Jahrgang 1953). Als Bassist auf vielen Jazz-Bühnen der Welt zu Hause, initiiert er 1989 Master Class for Jazz Improvisation in Langnau und gründet mit den Jazz Nights Langnau ein in Europa einmaliges Festival, das sich die Jazz-Musik-Education auf die Fahne geschrieben hat. Bis heute ist er der künstlerische Festival-Leiter. Der überaus freundliche Beifall, mit dem Schmocker in der Kupferschmiede zum Auftakt begrüßt wird, spricht für sich.

03.08.2023 

Über Peter E. Rytz Review

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