The Lost Album erzählt eine alte Geschichte neu – Frühe Fotografien von Dennis Hopper in Berlin

Dennis Hopper, The lost album © Peter E. Rytz 2012

Dennis Hopper, The lost album © Peter E. Rytz 2012

Die Floskel, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein, hat in der Person von Dennis Hopper einen seiner beredtesten Fürsprecher. Brooke Hayward, seine spätere erste Ehefrau berichtet, dass er auf einem Gehweg irgendwo in New York um 1961 mit seinen Händen einen Rahmen formte und sie aufforderte, durchzuschauen. Ihre Reaktion „Vielleicht solltest Du Photograph werden.“ wurde zum Beginn der Fotografenkarriere von Dennis Hopper.

So zumindest die schön erzählte Legende. Sie kaufte ihm eine Nikon, die er stante pede in die Hand nahm, alles und alle, die ihm vor die Linse kamen, fotografierte. Wie das weitere Leben zeigen sollte, ging Hopper seinen Interessen exzessiv und wie besessen von seinem Tun nach. So auch das Fotografieren. Bis er die Kamera ebenso schnell wie er sie aufnahm, 1967 auch wieder weglegte.  Um sich dann drei Jahre lang dem Skript von Easy Rider zu widmen. Der Film, der ihn dann weltberühmt und zur Legende machte.

Die Vision, diesen Film unbedingt machen zu müssen, egal was es an Kraft und Geld koste, brachte ihm zu einem Punkt, der Glück und Unglück zugleich bedeutete. Den mühsam zusammen gesammelten, für die Filmproduktion notwendigen 300.00 US-Dollar standen 50 Millionen US-Dollar als Einspielungsgewinn gegenüber. Es war aber ein Pyrrhus-Sieg. Er produzierte 1973  noch Last Movie, der  nicht mehr den Erfolg von Easy Rider erreichte und versank dann  über Jahre in Alkohol und Drogen.

Der Mythos Dennis Hopper, der fast vollständig auf Easy Rider beruht, erhält jetzt mit der Ausstellung The Lost Album im Martin-Gropius-Bau in Berlin (bis 17.Dezember 2012) eine wunderschöne Grundierung. Was und vor allem wen er in den beginnenden 1960ger Jahren fotografierte, zeigt sich aus der historischen Perspektive als fotografische Dokumentation einer Zeitgeschichte des Aufbruchs.

Es ist die Geschichte der Massenproteste gegen die Rassentrennung (Hopper begleitete Martin Luther King auf seinen Friedenmärschen quer durch die USA) und gegen den Vietnamkrieg. Insbesondere sind seine Fotografien aber eine Geschichte der Pop-Kultur. Warhol und The Factory, Robert Rauschenberg und Ed Ruscha,  Claes Oldenburg und Jasper Johns, damals alles noch völlig unbekannte, namenlose Künstler, die erst später zu den Ikonen wurden, als die wir sie heute kennen, hat er fotografiert.

Insofern ist die Ausstellung für die Älteren ein deja vu und für die Jüngeren eine überraschende Neuentdeckung. Eine Entdeckung aber für alle zugleich ist die Präsentation der Fotografien vor allem deshalb, weil sie jetzt rekonstruiert werden konnte, so wie sie Hopper einmalig und auch letztmalig 1970 für die Ausstellung im Forth Worth Art Center zusammen gestellt hatte. Erst nach seinem Tod 2010 sind Kisten mit den Vintage  Prints wieder aufgetaucht.

Mit Unterstützung von Hoppers Tochter Marin Hopper (The Dennis Hopper Trust) gibt die Kuratorin Petra Giloy-Hirtz  den Ausstellungsbesuchern jetzt die Chance, nicht nur dem Hippie und dem späteren Filmemacher Dennis Hopper näher zu kommen. Die Ausstellung mit ihren mehr als 400 Prints, überwiegend im Format 24 x 16 cm, öffnet den Schleier, hinter dem eine Zeit aufscheint, wo sich Künstler anschickten, die Welt mit ihren Weltverbesserungsideen, mit ihrem Größenwahn, ihrem entgrenzten Lebenshunger, ihren Sturm-und-Drang-Impulsen zu neuen Erkenntnis- und Lebensufern zu treiben.

Hoppers Fotografien atmen auch heute noch eine Dynamik und Authentizität, die es manchmal angesichts anderer, aber mindestens ebenso existentieller sozialer Probleme als wünschenswert erscheinen ließe, sie in künstlerisch inspirierte Interventionen im öffentlichen Raum als soziales Statement wahrzunehmen und nicht nur als temporäre Aktion. „He was a very visual talent.“(Brooke Hayward). Genau hinzuschauen, ist in einer von Bildern überfluteten Welt heute sicher eine größere Herausforderung. Die Ausstellung The Lost Album könnte uns daran erinnern, dass nichts wirklich verloren ist, wenn wir aufmerksam sind.

 01.10.2012

Über Peter E. Rytz Review

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