Lichter in der Nacht

Fred Hersch – Silent.Listening © ECM 2024

Silent. Listening, bei ECM veröffentlicht, kann man wie eine Selbstbeschreibung des Pianisten Fred Hersch lesen. Seit Jahren einer der interessantesten Jazz-Pianisten weltweit, ist er kein lärmender Lautsprecher. Schweigen, zuhören, in sich hinein lauschen. Softly, As In A Morning Sunrise gestimmt, schlägt er mit dem so titelnden, vorletzten Song einen kreativ hoffnungsvollen Bogen zurück zum ersten mit Star-Crossed Lovers.

Hersch versichert nicht nur den vom Unglück verfolgten Liebenden auch in dunklen Zeiten einen poetisch klangmalenden Hoffnungsschimmer. Licht durchflutet die Nacht mit impressionistischen Facetten (Night Tide Light). Er versteht Silent.Listening programmatisch als ein musikalisches Statement von Anfang bis Ende. Seine Improvisationen lauschen als Storytelling music in die Nacht. Den Blick zum Himmel gewendet, lädt seine Musik ein, mit ihm zu wagen, nach den Sternen zu greifen (Starlight).

Spontan komponierte Strukturen assoziieren kontrapunktisch gebaute Klangräume. Eine Meditation in zeitgenössischen Klangwelten vornehmlich mit eigenen Kompositionen. Standards durchmischen in freien Improvisationen die Tracks. Sie weisen ins Offene, ins Unvorhersehbare, ins Fließende: Panta rhei. Ein Handeln wider besseres Wissen absichtsvoll wie in Akrasia zu thematisieren, gehört zu Herschs musikalischem Selbstverständnis. Nichts unbedingt bis ins kleinste Detail kontrollieren zu wollen. Vielmehr gleich den Aeonen der antiken Philosophie den Klängen ihre spirituelle Essenz abzugewinnen (Aeon).

Die schon für die ECM-Produktion The Song Is You mit Enrico Rava (2021) verantwortliche großartige Akustik des Auditorio Stelio Molo RSI in Lugano war auch für diese Solo-Aufnahme sein absoluter Wunschkandidat. Sie ist, so Hersch, in meinen Ohren nahezu perfekt. Eine Perfektion, die keiner Geste als missverstandene L’art pour l’art nachläuft. Mit Little Song, ursprünglich für das Duo mit Rava geschrieben, löst er ein Selbstverssprechen ein. Mehr vom Inneren des Klaviers herausspielen, nennt es Hersch.

Inwieweit die Hörer dieser CD seinen finalen Winter Of My Discontent wörtlich nehmen, mögen sie als Hörende selbst herausfinden: Silent.Listening.

08.05.2025

Über Peter E. Rytz Review

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