Die Ruhrtriennale 2012 inszeniert einen neuen Auf-Tritt

© Peter E. Rytz 2012

© Peter E. Rytz 2012

 

Wer in diesem Tagen an der Jahrhunderthalle in Bochum vorbei kommt, sieht eine merkwürdige Baustelle. Euro-Paletten, gestapelt, ausgebreitet, zusammengesetzt, besetzen den prominenten Platz vor der Halle. Kinder, Jugendliche, Erwachsenen, bunt gemischt, schrauben, hämmern, verständigen sich: Welche Palette passt mit welcher zusammen? Eine Brückenkonstruktion, die den Fußweg vom Parkplatz unterhalb der Jahrhunderthalle überwölbt, verschränkt das Bild mit den Paletten. Funktion und Form des Ortes scheinen sich zu verändern. Was passiert hier? – Die Ruhrtriennale 2012 verschafft sich einen neuen Auf-Tritt. Und der heißt: Partizipation und Kommunikation im Alltag schaffen. Ruhrtriennale 2012, der Ort, wo Kunst in vielfältigen Formen in ehemaligen Industriehallen inszeniert wird, sucht die lebendige Unmittelbarkeit des Ruhrgebiets. „Our CenturY“ als beteiligungsoffene Baustelle von dem Künstlerduo Folke Köbberling & Nartin Kaltewasser konzeptionell entwickelt, ist eine programmatische Auf-Tritt- und Auftaktinszenierung der Ruhrtriennale. Das „Y“ in „CenturY“ ist Signet und Metapher einer ruhrgebiets-spezifischen Mobilitäts-, häufig allerdings mehr einer Im-Mobilitätssituation: Das Autobahnkreuz. Oder auch: Dort, wo ich Zuhause bin. Der vertraute Raum vor der Jahrhunderthalle wird durch die Intervention von Köbberling/Kaltwasser sowie den vielen Bauhelfern zu einem neuen Vertrauensort zwischen Kunst und Leben. Die Bauleute auf Zeit, Kinder, Jugendliche, Erwachsene, jeder der mitmachen möchte, sind dazu eingeladen. Mitgebrachtes  Material wird in die 5.000 bereit gestellten Paletten eingearbeitet. Die so entstehende horizontale Skulptur wird das Ergebnis eines partizipatorischen und demokratischen Kunstprozesses sein. Ob als soziale Plastik in Anlehnung an Beuys verstanden oder als “no-education-Projekt“ im Sinne der künstlerischen Idee der Ruhrtriennale, nämlich nichts und niemanden erziehen zu wollen, verliert ihre künstlerische Bedeutungshoheit. Wichtig ist die freie Beteiligung, die Skulptur zu gestalten und sie anschließend ebenso souverän zu nutzen.  Köbberling/Kaltwasser sind in diesem Prozess Ideengeber und Moderatoren. Mit ihren konzeptionellen Gestaltungsideen  haben sie an öffentlichen Orten in Zürich, London, Vancouver oder auch in Äthiopien Eingriffe unternommen, die scheinbar zuverlässige Wahrnehmungen unterlaufen. Sie schaffen mit ihren Interventionen  Ermöglichungsräume interaktiven Gestaltens und Kommunizierens. Stadt anders denken, vielleicht auch anders leben. In jedem Fall neue Perspektiven auszuprobieren. Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich das Gemeinschaftswerk in den nächsten Wochen entwickeln wird. Wer jetzt neugierig den Weg zur Jahrhunderthalle sucht, findet ab 18.August ein neues Entree zur Jahrhunderthalle. Jeder kann dann für sich einen neuen spannenden Umweg zur Ruhrtriennale entdecken.

 16.07.2012

 Photo streaming: Our CenturY

Über Peter E. Rytz Review

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