Avishai Cohen – wer?

Avishai Cohen Quartet © Peter E. Rytz 2017

Avishai Cohen – ein Name, zwei israelische Jazzmusiker, zwei verschiedene In­strumente, zwei unterschiedliche Stile, acht Jahre voneinander getrennt. Who is who?

Nach dem hoch gelobten Konzert des Bassisten Avishai Cohen mit dem grenz­überschreitenden Projekt Jazz free im domicil im Frühjahr 2017 (Jazz Free – neues Projekt, neuer Avishai Cohen vom 31.3.2017, hier veröffentlicht), setzt der Trompeter Avishai Cohen im Herbst am gleichen Ort während der 24. Jazz­tage Dortmund musikalische Akzente, die weniger von israelischer Musiktraditi­on beeinflusst sind, als viel mehr von afrikanischer und indischer Musik.

Während der Bassist Cohen es auch gern mal funky krachen lässt, seine Stim­me den Sound erotisch auflädt, seine Entertainer-Qualitäten zur Geltung bringt, bestimmen die Musik des jüngeren Trompeter Cohen eher melancholisch leise­re Töne. Nach seinen New Yorker Lehr- und Wanderjahren lebt er jetzt haupt­sächlich in Indien. Nicht nur, dass seine große, schlanke Gestalt, im Gesicht ein voluminöser Bart unterschwellig das jüngerhafte Bild eines Gurus phantasiert, verstärkt sich dieser Eindruck mit seinem introvertiert anmutenden Trompeten­spiel.

Lyrisch emotionale Sounds neben coolen Jazz-Phrasierungen laden zum Medi­tieren ein. Die ihm von der Kritik  nach seiner jüngsten CD- Veröffentlichung Cross My Palm With Silver zugeeignete Bezeichnung Melancooliker beschreibt ziemlich treffend das, was an diesem Abend im domicil zu hören ist.

Cohen presst seine Trompete fest an den Körper. Sie scheint mit ihm verwach­sen. Je länger er spielt, je biegsamer er den Körper krümmt, je intensiver er die Töne aus den Tiefen eines irgendwie überirdisch anmutenden Klangkosmos‘ herauf holt, um so weltentrückter klingt es. Im nächsten Moment aufgerichtet, saugt er die Töne wie von einem imaginären Jazz-Himmel. Für Momenten mutet es an, als wäre Miles Davis aus ihm zurückgekehrt. Seite an Seite mit Cohen mahnt und bestärkt er ihn: You should never be comfortable.

Der Sound, der mit der Veröffentlichung bei ECM gewissermaßen den Jazz-Rit­terschlag per se schon erhalten hat, schlägt im domicil meditativ modulierte  Klangschneisen.  

Dass das Avishai Cohen Quartet in Dortmund nicht mit der als Dreamteam be­zeichneten Besetzung der CD-Einspielung auftritt – anstelle von Bassist Barak Mori und Schlagzeuger Nasheet Waits spielen Yori Zelnik und Ziv Ravitz -, ist kein Traumverlust. Vielmehr forciert Ravitz mit percussiver Wucht Rhythmus­wechsel und schwebende Klangmischungen. Er artikuliert zudem  in verinner­lichter Verzückung synkopierte Ahs und Ohs, wobei er kopfüber in sein Drum-Set versinkt. Es ist, als würde Keith Jarretts atmendes Klavierspiel zu hören sein.

Am Klavier sitzt aber mit Zelnik einer, der in minimalistischer Zurückhaltung maximal den Klang grundiert. Insbesondere, wenn er solistisch ein Motiv pia­nissimo  einführt, das Quartett es improvisatorisch durchdekliniert und er ein finales Melos wieder dominiert, wird unüberhörbar, wie das Klavier dem Quar­tett nach Intensität und Ausdruck Homogenität verleiht.

Cohen neigt hin und wieder, wenn er sich beispielsweise mit seiner Trompete tief ins Klavier beugt, mit elektronisch manipulierten Hall-Effekten zu hedonis­tischen Spiegelfechtereien. In Life in death schlägt Melancholie so in einen ge­schmäcklerisch depressiven Pathos um.

Es mag widersprüchlich wirken, dass sich das Avishai Cohen Quartet mit Dream like a child mit einer über weite Strecke in Trio-Besetzung gespielten Komposition verabschiedet. Cohen gibt den Ton vor, zieht sich danach dezent zurück und überlässt Zelnik, Ravitz und Avishai allein die Bühne, um zum Schlussakkord das Quartett wieder zu vervollständigen.

Anderseits spricht Cohens Zurücknahme für seine Souveränität im Wissen um die große Improvisationskunst seiner Musiker als Trio. Wie sich die Töne zu Klängen mischen, wechselweise von Klavier, Bass und Drums betont, und sich letztlich wie in einem leeren Raum verlieren, beschwört im domicil ein magi­sches Raunen.

16.11.2017

photo streaming Avishai Cohen Quartet

Über Peter E. Rytz Review

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