Offbeat-Kontraste

Das facettenreiche Jazzfestival Offbeat 2023/24 in Basel biegt im Doppelkonzert mit dem Duo Jan Lundgren (p)/Hans Hackenroth sowie mit Fred Hersch (p) fulminant in die Zielgerade ein. Dabei könnten die musikalischen Horizonte zwischen ihnen kaum größer sein. Harmonische Akkorde, melodiös sanft gestimmt das schwedische Duo. Fokussiert mit Silent. Listening, wie Hersch’s aktuelle CD titelt, fordert er unausgesprochen die Zuhörer auf, konzentriert zuzuhören, in sich hinein zu lauschen. Ihm auf seinen Improvisationspfaden hörend zu folgen.

Lundgren und Backenroth sind musikalische Geschichtenerzähler, wie sie beide im Konzert im Stadtcasino Basel sich wechselseitig launig kommentieren. Nicht Unerwartetes erzählen sie, sondern das, was man von ihnen seit Jahren kennt, auch wenn sie verschmitzt The Unaspected Return ansagen.

Ihr Duo-Spiel ist von einer enigmatischen Balance zwischen Klavier und Kontrabass getragen. Leicht und unbeschwert, smoothy elegant eine Komposition Lundgrens auf seinen Hund Svante, anschließend nostalgisch mit der Beatles-Hymne She’s leaving home wohlige Applaus-Gefühle bei den Konzertbesuchern auslösend. Eigenkompositionen im Wechsel mit Interpretationen von Kompositionen, die wesentlicher Teil des musikalischen Gedächtnisses sind, wie auch auf ihrer aktuelle CD Jazz Poetry zu hören ist.

Lundgrens Sound, den er im Trio mit Paolo Fresu (Trompete) und Richard Galliano (Akkordeon) mit der CD Mare Nostrum verfeinert und dokumentiert hat (Mare nostrum janusköpfig vom 10.04.2019), findet in der Zusammenarbeit mit Backenroth eine akustisch inspirierte Fortsetzung.

Fred Hersch, seit Jahren einer der interessantesten Jazz-Pianisten weltweit, ist ebenso kein lärmender Lautsprecher. Silent. Listening, wie seine aktuelle CD (Lichter in der Nacht vom 08.05.24) vom titelgebend formuliert: Konzentriert schweigen, zuhören. Softly, As In A Morning Sunrise, respektive Star-Crossed Lovers sind musikalische Narrative, die improvisierend als Storytelling music in die Nacht zu lauschen scheinen.

Konzentriert fokussiert, zumeist über die Klaviatur gebeugt, hebt Hersch für Momente den Kopf. Ein zufriedenes Lächeln huscht über sein Gesicht. Den Blick nach oben gewendet, lädt seine Musik ein, mit ihm zu wagen, nach den Sternen zu greifen. Komponierte Strukturen assoziieren kontrapunktisch gebaute Klangräume. Eine Meditation in zeitgenössischen Klangwelten vornehmlich mit eigenen Kompositionen, durchmischt mit Standards in freien Improvisationen, die ins Unvorhersehbare, ins Fließende führen.

Erinnerung an die im letzten Jahr verstorbene Grande Dame des Jazz-Pianos Carla Bley und zum Abschluss eine Hommage á Thelonious Monk resümieren ein mehr vom Inneren des Klaviers Herausspielen, wie es Hersch nennt.

Dass Backenroth und Lundgren mit Hersch‘s mitunter düster schimmernder Melancholie, die seinem Konzert mitunter immanent ist, nichts gemein haben, mit ihm im Kontrast stehen, macht gerade das Spannungsvolle dieses Konzertabends aus.

26.05.24

Über Peter E. Rytz Review

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