Museum Barberini Potsdam – ein impressionistischer Fixstern

Ausstellungsansicht „Impressionismus. Die Kunst der Landschaft“ mit Claude Monets Serie der Getreideschober, Museum Barberini, Photo: Helge Mundt, © Museum Barberini

Potsdam und St. Gallen haben auf den ersten Blick eigentlich nichts, was sie miteinander verbindet. Wer allerdings die Ausstellung Impressionismus. Die Kunst der Landschaft im neu eröffneten Museum Barberini Potsdam besucht, steht irgendwann vor Le Palais Contarini (1908) von Claude Monet und wird sich vielleicht sehnsuchtsvoll an den letzten Venedig-Besuch erinnert fühlen.

Zeitparallel hat das Kunstmuseum St. Gallen nach einer längeren Umbaupause sein Haus mit der Ausstellung Endlich! Glanzlichter der Sammlung wiedereröffnet. Auch hier bildet Palazzo Contarini Venedig von Monet einen Höhepunkt der Ausstellung. Beide Bilder zeigen den Palazzo von der Wasserseite aus dem selben Jahr, 1908.

Ausstellungsbesucher vor „Le Palais Contarini“ (1908) von Claude Monet © Peter E. Rytz 2016

Während auf dem querformatigen Potsdamer Monet Palazzo und Canal Grande zu sehen sind, ist der hochformatige St. Gallener Monet durch das Sujet einer venezianischen Gondel ergänzt. Das gleiche Motiv, die gleiche Perspektive – zwei ähnliche, aber doch verschiedene Bilder.

Claude Monet, Palazzo Contarini Venedig_1908, in der Ausstelllung „Endlich!, Kunstmuseum St. Gallen © S. Stadler 2014

Mit Impressionismus. Die Kunst der Landschaft wird in Potsdam die neue Lust der Freilichtmalerei im Ausgang des 19. Jahrhundert eindrucksvoll inszeniert. Landschaften, jahreszeitlich unterschiedlich belichtet, häufig von vergleichbaren Standorten aus gemalt, entfalten in variablen Farb- und Helligkeitswerten eindrucksvolle, lebenspralle Panoramen. Gleichzeitig muss man immer wieder genau hinschauen, um sich nicht von der eigenen Wahrnehmung irritieren zu lassen.

So ist Meules, soleil voilé von Monet 1884, verglichen mit Meules,  offensichtlich vom gleichen Standort gemalt, aber erst neun Jahre später entstanden. Motive zu wiederholen, sie in seriellen Variation abzuwandeln, ist schon immer Teil der Kunst selbst. Vergleicht man Monets erweiterte  Meules-Serien (Meule, hiver, temps brumeux, 1888/89; La Meule, 1890/91; Meule, effet de neige, soleil, 1891), mit Meules  à  I’lle-de-France, um 1894 von Armand Guillaumin, wird die Vielfalt in der Einheit sichtbar. Es ist die anhaltende Suche der impressionistischen Maler für eine differenziertere Wahrnehmung der Wirklichkeit in ihrem Wechselspiel von Licht und Schatten.

In der Ausstellung sind neben Monet dafür beispielhaft Arbeiten von Jean-Baptiste Camille Corot –  Lisière de forêt au crépuscule, 1865 versus Étang dans une forêt, 1865-70 -, Eugéne BoudinLe Havre. L’Avant-Port au soleil couchant, 1882 versus Le Havre. Coucher de soleil sur la Mer, 1885 –  oder Alfred Sisley – Près de Moret-sur-Loing, 1881 versus Le Loing  à  Moret, 1883 zu bewundern – und sie gleichsam analytisch zu vergleichen.

Der Betrachter, der sich auf eine solche Entdeckungstour in Potsdam einlässt, wird erkenntnisreich und gleichzeitig lustvoll belohnt. Aus dem bloßen Anschauen wird ein aktives Sehen, konstatiert Christoph Heinrich in seinem Katalog-Textbeitrag Das Gleiche immer anders.

Die seit April 2016 amtierende Direktorin des Museum Barberini Potsdam, Ortrud Westheider ist auch die Kuratorin der Ausstellung. Das erweist sich im Blick auf die thematischen Kabinette der Ausstellung insofern als ein Glücksgriff, da sie mit ihrem über zehn Jahre währenden Wirken als Direktorin des Bucerius Kunst Forum in Hamburg gewissermaßen einen hanseatisch geschärften Meerblick für Reflexionen und Spiegelungen mitbringt. Die Ausstellung Über Wasser, 2015 (vgl. Über Wasser ins Wasser zum Meer vom 15.09.2015, hier veröffentlicht) im letzten Jahr ihres Direktorats in Hamburg, kann man, rückschauend betrachtet, wie eine Botschaft, den Himmel im Fluss nach Potsdam zu tragen, lesen.

Das Motiv des Wassers ist für eine impressionistisch gefärbte Aneignung der Welt grundständig. Es funktioniert als Teil einer Flusslandschaft mit Häusern und Brücken, mit Booten und Fischern als Spiegel. Abbild und Spiegelbild erweitern die Fläche zu Raumbildern. Wenn Orte von unterschiedlichen Künstlern zu unterschiedlichen Zeiten gemalt worden sind, können sich die einzelnen Bilder im Kopf des Betrachters assoziativ zu Bilderzählungen erweitern. Der Blick durch die Brücke rechts im Bild von Monets Gemälde Le Pont routier, Argenteuil, 1874, wird durch den Bildrand verwehrtVor Le Pont D’Argenteuil et la Seine, 1883 von Gustave Caillebotte gemalt,  stehend, vereinigen sich die getrennten Bildräume in eine Monet-Caillebotte-Landschaft vor und hinter der Brücke.

Doch nicht nur dem Kunstmuseum St. Gallen begegnet man Potsdam. Im großen, lichthellen Skulpturensaal des Museums Barberini kann man in einer weiteren Ausstellung – Klassiker der Moderne. Liebermann, Munch, Nolde, Kadinsky – die in diesem Frühjahr zu Ende gegangene Ausstellung Degas & Rodin – Wettlauf der Giganten der Moderne  des Von der Heydt-Museum Wuppertal als fortsetzende Ergänzung betrachten (vgl. Degas & Rodin in Wuppertal – auf den Spuren der conditio humana vom 09.02.2017, hier veröffentlicht).

Ausstellungsbesucher im Skulpturensaal, Museum Barberini Potsdam © Peter E. Rytz 2017

Das Museum Barberini Potsdam hat mit Impressionismus. Die Kunst der Landschaft nicht nur einen eindrucksvollen Aufschlag in die große, europäische Museumslandschaft inszeniert. Die Ausstellung ist ein temporärer Fixstern, in dem sich andere Ausstellungen kreuzen und miteinander kommunizieren.

In Potsdam ist noch bis 28.5.2017 Zeit, sich von Impressionismus. Die Kunst der Landschaft beeindrucken zu lassen. In St. Gallen leuchten Endlich! die Glanzlichter der Sammlung auf längere Sicht weiter, während das Von der Heydt-Museum Wuppertal seit dem 11. April 2017 mit Adolf Erbslöh. Der Avantgardemacher schon mit einer weiteren Farbpalette  wirbt.

24.05.2017

photo streaming Impressionismus. Die Kunst der Landschaft
photo streaming Klassiker der Moderne. Liebermann, Munch, Nolde, Kandinsky

Über Peter E. Rytz Review

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